Textatelier
BLOG vom: 20.01.2008

Überforderte Ohren streikten und erschreckten mich bös

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
 
Nach diesem Telefongespräch fühlte ich Panik. Letizia hatte angerufen und mir die erwartete Information geliefert. Sie war zu Fuss auf dem Heimweg und in heiterer Stimmung. Ich hörte sie schlecht, machte darauf aufmerksam. Der hektische Verkehr werde mich stören, folgerte sie. Und ich, etwas aufmüpfig, verwies auf den Akku ihres Natels. Der sei offenbar am Auslaufen. Nein, keine Anzeige. Alles in Ordnung.
 
Als ich aufgelegt hatte, änderte das gar nichts. Das Knistern im Ohr ging weiter. Jetzt wurden die Nachrichten aus dem Radio zerhackt. Unerträglich. Beängstigend. Mit den inneren Augen „sah“ ich dann meine Ohren als verschlossene Tore, an denen die Schwingungen von Worten aufschlugen, schepperten und zu Boden fielen. Noch nie so erlebt, obwohl ich Schmalzpfropfen kenne.
 
Ich musste mich in einen stillen Raum zurückziehen, um nicht verrückt zu werden.
 
Am andern Morgen säuberte der Arzt meine Ohren. Jetzt fühle ich wieder eine Kathedrale um mich. Viel Raum für Worte und Klänge. Jetzt können sie wieder schwingen und ausklingen. Aber schrille Töne, wie sie beispielsweise Kabarettisten alter Schule noch gebrauchen, irritieren sofort. Das wird eine Alterserscheinung oder vielleicht sogar ein Zeichen für die zurückgewonnene Hellhörigkeit sein.
 
Wieder zu Hause, sandte ich Letizia ein Mail: Nicht dein Natel war schuld am gestörten Empfang, sondern der Schmalz in meinen Ohren. Fazit: Immer zuerst den Fehler bei sich selber suchen, nicht bei den andern!
 
Und sie meldete zurück: Ich musste herzhaft lachen!
 
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